Doppelausstellung in Hamburg – Die vielseitigen Fassetten des Künstlers Giacometti

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(CIS-intern – Von Horst Schinzel) – Das Ausstellungsereignis des Jahres in Hamburg steht bereits zum Jahresanfang an. Un die Macher wie die Tourismusanbieter hoffen, dass es die Kunstfreunde in Scharen an die Elbe locken wird. Die Kunsthalle und das Bucerius Kunst-Forum zeigen in zwei beachtlichen Ausstellungen die vielschichtigen Seiten des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti. Der war ebenso erfolgreich wie lebensuntüchtig. Seine bedeutenden Werke – die heute ebenso berühmt wie teuer sind – schuf er in Paris über vierzig Jahre hinweg in einer Bruchbude.

Ohne die Hilfe seines Bruders Diego – welch erstaunliche Parallel – wäre er elend verhungert. Die eine Seite dieses Künstlers, die andere sein ausschweigendes Leben mit Suff und käuflichen Frauen.
Annabelle Görgens von der Kunsthalle Hamburg und ihre Kollegin Ortrud Westheider vom Bucerius Kunstforum fanden gleichzeitig, dass dieser Mensch und Künstler gewürdigt werden müsse. Und fanden dafür gleichzeitig in ihren Ausstellungshallen einen Termin. Während das Bucerius Kunstforum bis zum 2r0. Mai die Porträts zeigt, widmet sich die Kunsthalle den Spielfeldern.

Die Hamburger Kunsthalle will einen neuen Blick auf die Kunst von Alberto Giacometti (1901-1966) zeigen und dabei deutlich machen, warum das Werk des bedeutendsten Bildhauers des 20. Jahrhunderts bis heute wegweisend ist. Dafür werden erstmals überhaupt Giacomettis in Deutschland kaum bekannte surrealistische Frühwerke zusammengetragen und ihre Folgen für das berühmte Nachkriegswerk aufgezeigt: In den fragilen Unikaten aus Holz und Marmor der 1930er Jahre richtet Giacometti die Skulptur horizontal aus und entwickelt mit diesen tischbrettgroßen ‚Spielfeldern‘ das bis in die heutige Kunst reichende Konzept der ‚Skulptur als Platz‘.

Die Ausstellung verfolgt diese Idee über die bekannten Sammelskulpturen der Nachkriegszeit, mit ihrer typisch überlängten Formensprache, bis hin zu Giacomettis spektakulären überlebensgroßen Skulpturen für seine Gestaltung des Vorplatzes der Chase Manhattan Bank in New York von 1960. Die teils fast drei Meter hohen Figuren bilden im Spätwerk wie in der Ausstellung den Höhepunkt der Suche nach einer idealen Platzgestaltung zwischen Kunst und Leben. Das Chase-Projekt wird in seiner monumentalen
Version gezeigt, mit den weltberühmten Figuren Schreitender Mann II (1959-60), Große Stehende II (1960) und Großer Kopf (1960). Mit diesem Werkkomplex wird der Boden der Galerie der Gegenwart zur Spielfläche und die Ausstellung zum Träger des zentralen Themas der Schau, nämlich zum inszenierten Spielfeld für die Besucher selbst.

Der neuartige, themenspezifische Werküberblick legt erstmals offen, wie sehr Werk und Sockel, Präsentiertes und Präsentationsform bereits in den surrealistischen, so genannten Spielbrett-Skulpturen ineinander fallen und Giacomettis ganzes Oeuvre bestimmen. Entscheidend wird die bedeutungsvolle Positionierung der einzelnen, geheimnisvoll auf Eros, Tod und Erinnerung anspielenden Elemente. Bislang kaum bekannte Zeichnungen aus Privatsammlungen eröffnen zudem eine bisher unentdeckte, weitergehende Wahrnehmung: Giacometti zeichnet menschliche Figuren in die Spielflächen und macht deutlich, dass die Skulpturen als Modelle auf große öffentliche Platzgestaltungen verweisen.

Hier sollte der Betrachter in aktiv-handelnder, körperlichen Austausch mit der Kunst treten. Die tischbrettgroßen‚Spielfelder’ sind somit als Experimentierfelder für größenmaßstäbliche, den Menschen einbeziehende Platz-Realisierungen zu verstehen. Damit nimmt Giacometti die ‚Environment’-Kunst der 1960er Jahre voraus, in denen die Umgebung zum Teil des Werkes wird.

„Der Tag wird kommen, an dem man große Dinge im Freien machen kann, jeder bekommt seine Chance, wenn er ihrer würdig ist.“ Dies prophezeite schon der Künstlervater Giovanni Giacometti 1929 seinem begabten Sohn. Tatsächlich träumt Alberto fast 40 Jahre lang davon, eine große Skulpturengruppe für einen öffentlichen Platz zu schaffen, auf dem sich Kunst und Leben treffen. Diesem Traum widmet sich nun erstmals eine Ausstellung. Tatsächlich wurde keines der frühen wie späteren Schaumodelle und der späten Platzentwürfe endgültig als öffentliche Gestaltung umgesetzt.

Giacometti vergrößerte aber einzelne Elemente für sich selbst und umgab sich über Jahrzehnte damit in seinem winzigen Pariser Atelier, das „mit der Zeit immer größer wurde“ (Alberto Giacometti). Ihre bedeutungsvollen, wie in einem Gedächtnistheater arrangierten Platzierungen auf dem Atelierboden hielt er sorgsam fest.

Die Ausstellung ermöglicht mit zahlreichen Gemälden, Zeichnungen und Photographien aus verschiedenen Schaffensperioden teils bisher ungesehene Einblicke in diesen außergewöhnlichen Produktions- und Präsentationsort. Denn auch das Atelier war Giacomettis ‚Spielfeld’: Es wurde zur Bühne, auf welcher der Künstler sich selbst und seine Schöpfungen inszenierte. Dieser zu Recht zum Mythos gewordene Arbeitsraum wird in seiner räumlichen Gedrängtheit und zugleich ideellen Bedeutung in der Ausstellung erstmals erlebbar.

Die groß angelegte Schau umfasst über 200 ausgewählte Werke. Darunter befinden sich 40 zum Teil bislang kaum ausgeliehene Skulpturen sowie rund 30 Ölgemälde, zudem Zeichnungen und Photographien aller Werkphasen aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Präsentiert wird so die ganze Spannweite und Aktualität von Giacomettis Kunst: Innerhalb der Formensprache von der Blockhaftigkeit zur fragilen Entmaterialisierung, innerhalb der Raumauffassung vom winzigem Produktionsort zum inszenierten Präsentationsort und innerhalb des Skulpturenbegriffs vom individuellen Objekt zum architekturbezogenen, überlebensgroßen ‚Environment’.

Es erscheint ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog (29 €) auf Deutsch und später Spanisch, der exklusiv in den Museumsshops und unter www.freunde-der-kunsthalle.de erhältlich sein wird.
Die Ausstellung Giacometti. Die Spielfelder der Hamburger Kunsthalle wird im Anschluss von der Fundacion Mapfre, Madrid, übernommen.

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