(CIS-intern) – Eine Liebesgeschichte, ein Reprint aus den 70ern.
Für alle bis in die 70er Jahre Geborenen ist es Pflichtlektüre im Sinne einer Retraumatisierung.
Für die Jüngeren ist das Buch schlicht Aufklärung – und sei es nur, um endlich zu verstehen, warum in WG-Küchen immer noch Che-Plakate hängen.
Viktor, der Ich-Erzähler, ein snobistischer Schowi, geht einem mit seiner geschraubten Germanistensprache zunächst fürchterlich auf den Wecker, Ruth scheidet mit Schlaftabletten aus dem Leben, Berger landet im Knast, Elke wird bei dem Versuch, ihn zu befreien, erschossen. Offen bleibt, ob Viktor und Veronika etwas dazulernen oder weiter verspießern … Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist nicht das Schicksal von Romanfiguren.
Wichtig ist: Die Charaktere und das Miljö, in dem sie kämpfen und scheitern, sind genau beobachtet. Univolk, Wohngemeinschaft, Kneipenpublikum, eine Liebesnacht und lustlose Fickerei, die Fabrik (z. B. die Leichtigkeit, an der Kreissäge einen Finger zu verlieren), der Knast (z. B. die Schwierigkeit, in der Isolierhaft einen Nussknacker zu beschaffen), die Illegalität, die Guerilla besucht eine mutmaßliche Sümpatisantin (erster Auftritt: das antiimperialistische Biedermannpärchen, zweiter Auftritt: der Blues.) – das alles stimmt.
Das Spannungsverhältnis zwischen Intellektuellen und Proleten, zwischen Tüpen und Frauen, zwischen Alten und Jungen, zwischen Linken und Linken, ihre Beziehungen und ihre Sprachen werden vielfältig fortgeführt und reflektiert. (Aus dem Vorwort von Fritz Teufel)
Es ist ein sonderbares Gefühl, ein Buch zu lesen, das man vor 35 Jahren geschrieben hat, das aus einer Zeit stammt, die man selber miterlebt und durchlebt hat und die doch so fern ist, dass es sogar mir selber schwerfällt, sie nachzuvollziehen. Manchmal war ich genervt von meinem damaligen, nach ein paar Jahren Isolation in der Haft entstandenen Manuskript, fand es teilweise überdreht und albern, dann wieder war ich angetan davon, wie es die Zeit der 70er Jahre in einer recht facettenreichen und kritischen Weise beleuchtet, was damals nicht gerade selbstverständlich war.
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Reflexionen über gesellschaftspolitische Analysen, individuelle Sehnsüchte, Ängste, Heroismus und das Unvermögen, einander diesbezüglich verstehen zu können, galten als kleinbürgerlich und wurden mit einer entsprechend brutalen Sprache kritisiert oder vielmehr in den Boden gestampft, was ungewollt auch in meinem Text seine Spuren hinterlassen hat. Z.B. in dem inflationären Gebrauch des Begriffs »bumsen«, was damals allgemein so rüde oder noch schlimmer formuliert wurde. Von vielen wurde diese kritisch-selbstironisierende Sicht- und Darstellungsweise seinerzeit als Mangel an politischem Bewusstsein angesehen. Nun ja, viele, die damals ein klares politisches Bewusstsein hatten, sind heute zerbrochen oder auf die andere Seite geschwenkt. Und Letzteres gilt nicht nur für Horst Mahler, sondern natürlich auch für diejenigen, die sich regierungskompatibel machten. Joschka Fischer, Cohn-Bendit oder Claudia Roth, um nur einige bekanntere Namen zu nennen. Heute distanziere ich mich in keiner Weise von meinem damaligen Empfinden und Denken, obschon ich natürlich vieles anders sehe und andere Wege der politischen Umsetzung des gleich gebliebenen Ziels betreten habe. (Robert Jarowoy)
Sonntag, 24. Februar, 20 Uhr
GOLEM
Große Elbstraße 14, Hamburg
Die Prinzessin und der Schnellläufer
Robert Jarowoy
Vom Autor neu durchgesehene Wiederauflage
Textem Verlag, Dezember 2012