Hamburg: Kammeropern in der Psychoanalyse

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(CIS-intern) Von Horst Schinzel – Ungewöhnliches bietet die Hamburger Hochschule für Musik und Theater zum Abschluss des Semesters. Von einem Kind, das außer Rand und Band gerät, über eine Ehefrau, die ihr Geschlecht wechselt, und ihrem Ehemann, der das Gebären erprobt, bis zu einer Nonne, die ihr sexuelles Verlangen entdeckt, entstehen an diesem Opernabend ungeahnte Sinnzusammenhänge – und dies über die Werkgrenzen hinaus. Denn für die diesjährige große Sommerproduktion der Opernklasse geht Regisseur Florian-Malte Leibrecht neue Wege, indem er drei weniger bekannte Einakter raffiniert zu einem psychoanalytischen Opern-Triptychon verknüpft.

Foto Peter Vogel

Eröffnet wird die Inszenierung mit Maurice Ravels Das Kind und der Zauberspuk (L’Enfant et les Sortilèges), in der ein Kind mit anarchischer Zerstörungswut gegen die Welt der Erwachsenen rebelliert. Der französische Pianist und Komponist Francis Poulenc (1899-1963) vertonte durch seine Nähe zu Schriftstellern eine Reihe von literarischen Texten – insbesondere Gedichte Paul Éluards und Werke Guillaume Apollinaires, auf dessen Drama Les mamelles de Tirésias die 1947 uraufgeführte Oper Die Brüste des Teiresias basiert, die das Herzstück des Operntriptychons bildet.

Leibrecht: „Die ganze Geschichte von Apollinaire ist absolut verrückt und surreal, dadaistisch erzählt und wird von Poulenc in einer ‚opera comique‘ großartig revuehaft umgesetzt.“ Von dieser verspielt-kritischen Reflexion über Geschlechterrollen geht es zum harschen Aufeinanderprallen von unterdrückter Sexualität mit den klösterlichen Zwängen und Verboten in Paul Hindemiths Skandalstück Sancta Susanna.- das vor neunzig Jahren nicht in Stuttgart uraufgeführt werden konnte Florian-Malte Leibrecht verwebt die Handlungsstränge der drei Opern mit dem Garn einer psychoanalytischen Lesart. So finden sich die Darsteller jeweils zu Beginn in dem kühlen Wartezimmer eines ominösen Psychiaters wieder. Entfliehen können die Figuren dieser zweifelhaften Psychoanalyse nur in surreale Welten, in denen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung, überschritten werden.

Die Vorbereitung dieser Produktion stand unter einem schwierigen Stern. Der musikalische Leiter Professor Siegfried Schwab erkrankte schwer Deshalb sind drei Studierende der Dirigierklasse von Prof. Ulrich Windfuhr mit der Leitung jeweils einer Oper eingesprungen.Jiri Rozen, Johannes Zahn und Annalena Hösel haben bereits die musikalische Einstudierung während der szenischen Proben übernommen und sind deshalb mit den komplexen Werken bestens vertraut.

Die Hamburger Zeitungen waren von der Premiere begeistert. Wir sahen die –miserabel besuchte – fünfte Vorstellung am Pfingstmontag. Im Bühnenbild von Markus Meyer und den Kostümen von Catharina Rusitska wirken wohl alle – bis hin zu einem Conchita-Wurst-Verschnitt -mit, die derzeit an den Opernklassen der Hochschule studieren – wenn nicht als Solisten, dann im Chor. Viele Rollen sind alternierend besetzt Großartige Stimmen lassen Tolles in der Zukunft erwarten. Die Aufführung wurde stürmisch gefeiert.

Weitere Vorstellungen
Sa., 21.6. 18.00 Uhr, Fr., 27.6. 19.30 Uhr, So., 29.6. 18.00 Uhr, Fr., 4.7. 19.30 Uhr

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