(CIS-intern) – Was für ein Fest(ival)! Dramatische Wolkengebilde vor untergehender Abendsonne, davor farbig inszenierte Kräne und Tausende von fröhlichen Menschen aller Altersklassen: Die Künstler, die auch zum diesjährigen Festival aus aller Welt angereist sind, bringen es auf den Punkt: „Was für ein Publikum! Was für eine Kulisse!“ Die sechste Ausgabe des ELBJAZZ Festivals lockte am vergangenen Wochenende 15.000 Besucher in den Hamburger Hafen. Und das ELBJAZZ-Prinzip des Erkundens und Entdeckens war mehr denn je Tenor des Programms. So viele Deutschland- und Hamburg-Premieren gab es noch nie beim ELBJAZZ.
Foto: ERLEND ØYE & THE RAINBOWS (by Jens Schlecker)
In 80 Stunden um die Jazz-Welt
Das UMO Jazz Orchestra aus Finnland eröffnete am Freitag die Hauptbühne bei Blohm+Voss mit dem amerikanischen Saxofonisten Lenny Pickett. Der einstige Tower of Power-Star mit seiner unfassbaren sechs-Oktaven-Reichweite am Teno zeigte eindrucksvoll, warum ihn auch David Bowie, Chick oder Katy Perry gerne zu sich ins Studio holen. Am nächsten Abend um Mitternacht beendeten Yemen Blues das Konzertprogramm auf der Hauptbühne mit ihrem ebenso energischen wie erfrischenden Auftritt. Leader Rahid Kahalani spielte seinen Wüstenbass wie im Wahn, tanzte wie ein jemenitischer Prince oder ein Derwisch im Funk-Rausch und brachte damit das Publikum unweigerlich zum Tanzen und Mitsingen.
In den gut dreißig Stunden dazwischen begeisterten unter anderem Sängerin Dee Dee Bridgewater mit UMO Jazz Orchestra und ihrem umwerfenden New Orleans-Programm, sorgte Ed Motta, der singende „Koloss von Rio“, für nicht enden wollende „Zugabe!“-Rufe und zündeten die bayerischen Barfuß-Boliden von LaBrassBanda ihre Techno-Blasmusik.
Trompeter Verneri Pohjola zeigte, dass auch ein modernes Jazz-Quartett auf der größten Bühne des Festivals für Furore sorgen kann und Monty Alexander, dass man mit Reggae-Jazz die Sonne am Himmel hält.
Auf den beiden anderen Bühnen bei Blohm+Voss forderten französische Grenzgänger wie das Orchestre National de Jazz mit seinem gitarrengöttlichen Leader Olivier Benoit oder der futuristische Saxofon-Säger Guillaume Perret mit Electric Epic die Zuschauer.
Enrico Rava machte seinem Ruf als Altmeister des italienischen Jazz mit junger Band alle Ehre, während das junge Publikum sich bei Erlend Øye & The Rainbows die Plätze in den ersten Reihen sicherte.
Ekstatisch wurde es zum Ende der Samstagnacht an der Helgenbühne mit Diazpora und ihrem Stargast Pee Wee Ellis.
Unübertroffen die musikalische Vielfalt in der Maschinenbauhalle: Klezmer mit Giora Feidman, Vocal-Jazz von Ian Shaw, Marc Ribots brachiale Blues-Beats, freier Jazz von der Rolf Kühn UNIT, junge norddeutsch-philharmonische Sounds und als hypnotischer Abschluss World-Trance-Klänge von Kalifé Schumacher Tristano.
Im Hansahafen, der erstmalig neben der MS Bleichen und dem Hafenmuseum auch eine Open Air Bühne zu bieten hatte, faszinierte am Freitag auf der Bühne, die von der Elbphilharmonie präsentiert wurde, unter den Pianisten vor allem der Amerikaner Kenny Werner, der mit seinem Saxofon-Partner Benjamin Koppel riesigen Spaß hatte.Der welterfahrene US-Profi verkündete ganz euphorisch, er müsse im nächsten Jahr unbedingt wiederkommen, „schon um mir dieses erstaunliche Programm mal in Ruhe selber anzuhören.“
Auf der Open Air-Bühne frappierten KUU! samt der auch schauspielerisch bemerkenswerten Sängerin Jelena Kuljic mit schnellen, frechen Songs („Sex gegen Essen“) – und als besänftigender Kontrast Manu Delago mit seiner nach „nicht von dieser Welt“ klingenden Hang.
Nebenan saßen auf der MS Bleichen viele Besucher nicht nur freiwillig, sondern neugierig-gern vor einem Freejazz-Programm. Höhepunkt war dort ansonsten das intensive Zusammenspiel des Trios von Angelika Niescier – sein Publikum zugleich fordernd und beglückend.
15.000 Gewinner und ein Preisträger
Bestens aufgelegte Musiker, ein Publikum, das sich lustvoll auf Neues einließ – an diesem Wochenende gab es nur Gewinner. Einer von ihnen sei kurz herausgestellt: Sebastian Gille. Der 32-jährige Saxofonist und Wahl-Hamburger wurde auf dem Festival für seine besonderen künstlerischen Verdienste sowie sein Engagement für die Jazzszene in der Hansestadt mit dem Hamburger Jazzpreis ausgezeichnet.
ELBJAZZ für alle
Ein buntes Rahmenprogramm mit Konzerten in Museen und Ausstellungen, Videokünstler und Workshops, ein Backstage-Kinderprogramm sowie eine Clubnacht bis in die Morgenstunden ergänzten das Programm auf den Bühnen. Auf dem Gelände gab es auch ein kulinarisches Line-up. Hamburger Szenerestaurants und Foodtrucks feierten ELBJAZZ-Premiere und sorgten auch optisch für eine Stimmung, die zum Verweilen und Genießen einlud – so sehr, dass die meisten Künstler sich unter die Menge mischten und an den Bars ihren Kollegen lauschten oder mit den Besuchern plauderten.
ELBJAZZ 2015 – „ein Fest für Entdecker und Hafenfans, für Hamburg und Touristen und für die ganze Familie“. ELBJAZZ-Gründerin Tina Heine hatte in ihrem Vorwort der diesjährigen Programmzeitung das Festivalfazit bereits vorweggenommen. Und viel muss dem nicht mehr hinzugefügt werden – außer vielleicht: Auch im nächsten Jahr wird es vom 27. bis zum 29. Mai entlang der Elbe wieder heißen: Hafen – Hamburg – Jazz – beim ELBJAZZ Festival 2016. Infos dazu in Kürze unter www.elbjazz.de